Nach langen Jahren im Musikgeschäft hält Mikelyn Roderick den Zeitpunkt für gekommen, ihr Solodebüt „Copasetic Is“ (Dôme Records) zu veröffentlichen. Vorher arbeitete sie bereits mit Künstlern wie Bill Withers, Stevie Wonder, Maxwell und Earth, Wind & Fire, außerdem war sie Mitglied der R&B-Gruppe By All Means. Nun präsentiert sich die auf den Kapverden geborene Sängerin mit elf Songs, die zwischen Soul, Jazz und Latin mäandern. Schönster unter den schönen ist „Slippin’“, ein von Rahsaan Patterson geschriebener Party JAM für volljährige Menschen.Ebenfalls an ein erwachsenes Publikum wendet sich Mario Biondi And The High Five Quintet. Biondis Mutter war Opernsängerin, der Vater schrieb Volkslieder. Und weil auch in Sizilien der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, wurde Mario das Talent mit in die Wiege gelegt. Als Jugendlicher hörte er Platten von Künstlern, die wir alle lieben: James Brown, Aretha Franklin, Lou Rawls, Al Jarreau. Entsprechend souverän geht es auf „Handful of Soul“ (Intuition/Schott) zu. Die markante, an Lou Rawls erinnernde Stimme des Italieners dominiert die Produktionen, die meist von dezent zurückgenommenen – nun ja – Bar-Jazz-Klimpereien gerahmt werden. Anspieltipp ist die Überraschungssingle dieses Frühjahrs: „This Is What You Are“.
Hinter Raw Artistic Soul steckt der Kölner Produzent Phil Kullmann. Auf „You Got Rhythm Too“ (GOGO Music / Soulfood) breitet er seinen Entwurf von anspruchsvollen Tanzflurklängen aus. Meist zuckert er die House-Tunes mit einem Überzug, der Brazil-Feeling verbreitet, aber auch George Bensons Schule macht sich bemerkbar („ZAAB“). DJs in den Clubs sollten häufiger mal wagen, solche Stücke einzusetzen, statt die Chartsingles wieder- und wiederzukäuen…
1984 ist das Jahr, aus dem die meisten der Stücke für „BOOGIE TIMES presents The Great Collectors Funky Music Vol. 4“ (BOOGIE Times Records/Just Records Babelsberg) gepickt sind. Es ist eine der Zusammenstellungen, um die Freunde der funky music nicht herumkommen. Der an die besten Zeiten von Midnight Star erinnernde Opener von The Puncher ist nur die Ouvertüre für ein Feuerwerk im ‚Groove Of The Eighties‘. Und deshalb ist es eigentlich nicht möglich, einzelne Tracks wie „Esmeralda“ von Le Gamby hervorzuheben. Denn alle 14 stehen für eine – oft zu unrecht unterbewertete – Epoche.
R&Besk gab es damals noch nicht, diesen Stil machte in Deutschland Muhabbet bekannt. „In deinen Straßen“ (Plak Music/Columbia) ist auf ein Neues tongewordener Migrations-Hintergrund, gleichzeitig integrierend und identitätsstiftend. Deutsche Texte mit klaren An- und Aussagen, dazu türkisch eingefärbte Polster in den Melodien. Wenn die Texte mehr Schnörkel hätten, könnte man platt – äh – glatt meinen, man habe es mit „Xavier Naidoo für die Kinder unserer Lieblings-Dönerverkäufer“ zu tun.
Apropos platt: MOK aus Berlin, der sich selbst als Straßenjunge sehen will, wendet sich auf „Hustler“ (Ersböserjunge/Neo) nicht an die Leser von taz, Spiegel oder Zeit. Der Freigänger rappt im Sido-Stil „ihr seid Studentenpöbel ich bin im Benz und Vögel“. Und dieses Zitat dürfte hinreichend erklären, warum sein Album in meiner Kolumne hinten anstehen muss…