Jazzveranstaltungen in Opernhäusern sind eigentlich Entwurzelungen, denn die Musik gehört in den Club, wo Liebhaber mit dem Drink in der Hand Soli diskutieren können, ohne dumm aufzufallen. Andererseits hat die Alte Oper in Frankfurt einen gigantischen Trumpf gegenüber dem Juke Joint. Exzellente Klangverhältnisse sorgten am Dienstagabend (19. November) dafür, dass jede berührte Saite und jede Borste der Schlagzeugbesen ihr Recht wahrnehmen konnten, gehört zu werden. Und knapp 2000 Besucher sind ein ordentlicher Messwert, denn 2300 passen in den Großen Saal. Augenscheinlich interessiert an anspruchsvoller Black Music dazu, denn der Großteil war -für Frankfurter Verhältnisse- leger gekleidet, so dass die Garderobenständer aus dem lokalen Geldadel nicht wahrnehmbar waren.
Bühnendisziplin und Bodenständigkeit
Ein fast minutengenauer Konzertbeginn ist im Genre nicht selbstverständlich (Cassandra Wilson hatte ihr Publikum im Leipziger Gewandhaus vor Jahren eine Stunde in der Warteschleife festgehalten). Lizz Wright jedoch war diszipliniert. Und charmant zerstreut. Die Chanteuse bemerkte nach dem ersten Stück („Old man“ von Neil Young), sie habe ihren Tamburin in der Garderobe vergessen, weil sie sich dort mit anderen Dingen beschäftigt habe. Girlie stuff eben. Sofort flogen ihr alle Herzen zu und ein netter Mensch reichte ihr das Instrument nach. Wrights Musik beherbergt neben Bausteinen aus dem Setzkasten der Black Music wie Soul und Gospel auch Folk, Singer/Songwriter und Americana. Sie sammle einfach Steine auf, beschrieb sie dem Frankfurter Publikum ihren Eklektizismus. Darüber hinaus hat sie etwas von Oleta Adams, Meshell Ndegeocello und Anita Baker, aber etwas Eigenes. Vielleicht ist Lizz Wright so etwas wie eine Lauryn Hill, die nie Hiphop gemacht hat. Sie war das Vorprogramm für Gregory Porter und dennoch ein Haupt-Act.
Besessener Botschafter des Blues
Gregory Porter ist etwa zehn Jahre älter als seine Begleiterin durch diese Nacht in Frankfurt und fleischgewordene Verkörperung des wichtigsten Grundes, warum Amerika so liebenswert ist. Der Mann ist quasi Rollenmodell für sämtliche Farben der Black Music. Blues, Rhythm & Blues, Soul, Gospel, Jazz – überall hin könnte er als glaubhafter Botschafter entsandt werden. Nur Scatten – das ist nicht sein Ding und da erreichte er auch in Frankfurt nicht den Durchschnitt. Der Bariton aber ist einnehmend wie der des gleichaltrigen weißen Italieners Mario Biondi.
Porter gibt auf der Bühne der Alten Oper den Crooner, er singt mit Seele, er predigt wie ein Holy Preacher am Sonntagmorgen im südstaatlichen Radio, obwohl er aus Kalifornien kommt. Er lebt jetzt in New York und trägt Harlem im Herzen. Porters Altosaxofonist sieht aus wie ein Student der Manhattan School of Music in West Harlem; er agiert jung, frech und wild und ist eigentlich noch zu jung, um so gnadenlos das Sax auszuquetschen. In der Soli-Hitparade dieses Abends führt er knapp vor Flügelmann Chip Crawford, der nicht nur optisch an Elton John erinnert, sondern auch entsprechend tasten kann. Überhaupt – ein Flügel auf der Bühne, ein Kontrabass – das hört sich nicht nur gut an, das sieht auch gut aus! Porter bat Lizz Wright für einen Song zum Duett auf die Bühne, er selbst wurde vom Publikum zweimal zurück gebeten.
Kaum hatte sich der Mann für die Standing Ovations bedankt, stand er schon im Opernfoyer, um Autogramme zu geben. So bodenständig präsentierten sich in diesem Jahr nicht alle Künstler in Frankfurt. Lizz Wright (die in der Konzertpause signierte) und Gregory Porter reihten sich damit in die erfreuliche Linie ein, die Musiq Soulchild in Frankfurt im Frühsommer gezogen hat. Ein furioser Konzertabend in der Alten Oper endete voller Respekt und Achtung.
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